Herzrhythmusstörungen – Immer ein Anlass zur Sorge?

Gelegentliches Herzrasen oder spürbares Herzschlagen ist normal. Sicher kennt das jeder. Doch, wenn der Herzschlag regelmäßig Störungen aufweist, sollte man zum Arzt gehen. Genauer gesagt, zum Kardiologen. Dr. Neef spricht in dieser Folge mit Moderator Mario D. Richard über Herzrhythmusstörungen und ungewohnte Schläge im Brustkorb. Jetzt reinhören.

Experte: Dr. Martin Neef, Leiter Bereich Elektrophysiologie Uni-Klinik Leipzig

Dr. Martin Neef

Kardiologe

Transkript der Folge Herzrhythmusstörungen – Immer ein Anlass zur Sorge?

Viele Menschen haben das schon mal erlebt. Das Herz fängt plötzlich an zu poltern, man greift sich erschrocken an die Brust. Spätestens wenn das regelmäßig passiert und der Herzschlag aus den Fugen gerät, sollte man das mal kontrollieren lassen. Bei „kernig & gesund“ geht es heute um Herzrhythmusstörungen.

„kernig & gesund“, der Gesundheits-Podcast präsentiert von apodiscounter.de

Mario D. Richardt: Einen wunderschönen guten Tag zu einer brandneuen Folge „kernig & gesund“! Mein Name ist Mario D. Richardt und in jeder Folge spreche ich mit Experten über ein Gesundheitsthema. Heute geht es um Herzrhythmusstörungen. Und ich freue mich, dass ich dafür den Leiter des Bereichs Elektrophysiologie der Uniklinik Leipzig am Mikrofon habe. Guten Tag, Dr. Martin Neef!

Martin Neef: Hallo, guten Tag, Herr Richardt!

Mario D. Richardt: Herzrhythmusstörungen sind ein sehr komplexes Thema, aber wir versuchen heute dennoch, es möglichst leicht verständlich zu besprechen. Ich persönlich bin sehr sensibel, was meinen Körper angeht, und habe schon oft ein Herzstolpern gefühlt.

Aber merkt denn nicht jeder Mensch, wenn sein Herz aus dem Rhythmus gerät?

Martin Neef: Nein, das ist nicht so. Eigentlich haben alle Menschen Herzrhythmusstörungen, also Rhythmusstörung bedeutet, dass der Herzrhythmus für ein paar Sekunden oder auch Minuten mal außer Takt gerät.

Aber die meisten Patienten, Menschen, nicht Patienten, sondern die meisten Menschen merken das gar nicht, weil es nachts passiert oder während einer Tätigkeit unter Aufregung, unter Belastung, unter Sport. Da ist es normal und bedarf dann in diesem Fall natürlich auch keiner Therapie, weil man es auch gar nicht mitbekommt.

Mario D. Richardt: Was fühlt man bei einer Herzrhythmusstörung, bei einem Herzstolpern?

Martin Neef: Wenn man was fühlt, dann ist es, wie Sie sagen, häufig ein Herzstolpern. Manchmal ist es aber auch ein Herzrasen. Also man merkt, dass der Puls sehr hoch ist. Gelegentlich ist es aber auch so, dass der Puls sehr niedrig ist.

Also man merkt dann, wenn man den Puls selber tastet oder den Blutdruck misst, dann zeigen die Geräte eine sehr niedrige Pulszahl an, Das kann man, was den Herzschlag an sich angeht, spüren. Häufig sind damit noch Symptome assoziiert wie Schwindel oder Unwohlsein, Übelkeit oder allgemeine Schwäche.

Das kann es bei solchen Herzrhythmusstörungen, wenn die anhaltend sind, auch geben.

Wie funktioniert der Herzschlag?

Mario D. Richardt: Oder es fühlt sich eben so an, so war es bei mir, als ob einem bloß kurz die Luft wegbleibt wie so ein Schlag kurz auf die Brust. Wie funktioniert denn der Herzschlag im Normalfall?

Martin Neef: Der normale Herzschlag kommt von dem sogenannten Sinusknoten. Das ist, müssen Sie sich vorstellen, wie eine Zündkerze im Herzen, die eine fest vorgegebene Frequenz hat in Ruhe, und die koordiniert die Herzaktionen.

Wie der Name sagt, Sinus-Rhythmus, ist dieser Rhythmus regelmäßig, sonst hieße er auch nicht Sinus-Rhythmus, und kann unter Belastung gesteigert werden. Dann meldet das Gehirn einfach dem Herzen, ich brauche jetzt mehr Herzfrequenz.

Und der Sinusknoten erhöht dann einfach seine Schlagzahl. Wohingegen nachts, wenn man schläft und das Gehirn dem Herz zurückmeldet, jetzt wird geschlafen, jetzt ist Ruhe, wird der Herzschlag langsamer. Auch das macht der Sinus-Rhythmus.

Was passiert bei Herzrhythmusstörungen?

Mario D. Richardt: Aber was passiert, wenn da plötzlich ein Herzstolpern auftritt oder Herzrhythmusstörungen?

Martin Neef: Bei den Herzrhythmusstörungen ist es so, dass zu dem Sinus-Rhythmus plötzlich zusätzlich eine Erregung einfällt und die häufigste Form ist die Extrasystole, also einen extra Schlag auslöst. Da ist der Sinusknoten selbst noch gar nicht mal Schuld, der kann da gar nichts dafür.

Der schlägt also ganz normal weiter, es kommt nur eine zusätzliche Erregung, eine Zusatz-Zündkerze hinein und macht dann einen extra Schlag. Das kann man mitunter merken als Herzstolpern oder kurz mal pochen, aber das ist in der Regel gleich wieder vorbei.

Mario D. Richardt: Im Prinzip ist das dann die Arrhythmie, dann gibt’s auch noch die Bradykardie und die Tachykardie. Das heißt also, langsamer Herzschlag und schneller Herzschlag, ist das richtig?

Martin Neef: Ja. Wir fangen mal mit dem langsamen Herzschlag an. Da ist es in der Regel so, dass der Sinus-Rhythmus zu langsam ist. Also wenn man älter wird, wird auch der Sinusknoten älter und irgendwann kann der vielleicht gar nicht mehr so sehr schnell. Deswegen haben ältere Menschen häufiger auch mal einen zu langsamen Sinusknoten oder einen Ausfall des Sinusknotens.

Nun ist es aber auch so, dass wenn der Sinusknoten normal funktioniert, müssen die Erregungen von der Herzvorkammer in die Herzhauptkammer übergeleitet werden. Weil erst die Herzhauptkammer, also das Schlagen der Herzhauptkammer, macht den Puls. Das, was wir messen können mit unserem Blutdruckmessgerät, ist der Puls, und der kommt aus der Herzhauptkammer.

Setzt aber voraus, dass alle Erregungen des Sinusknotens über diesen sogenannten AV-Knoten, also das ist ein Verbindungsknoten zwischen den Vorhöfen und den Kammern, dass der normal funktioniert und alle Erregungen überleitet.

Wenn das mal nicht der Fall ist und einzelne Erregungen im AV-Knoten steckenbleiben, also nicht übergeleitet werden, dann werden auch die Kammern langsamer und es kommt dazu, dass der Puls niedriger wird.

Ist Vorhofflimmern gefährlich?

Mario D. Richardt: Das klingt echt wahnsinnig kompliziert. Die häufigste Herzrhythmusstörung ist das Vorhofflimmern. Daran leiden in Deutschland zeitweise bis zu 15 Millionen Menschen. Ist das gefährlich?

Martin Neef: Ja und Nein! Vorhofflimmern ist tatsächlich die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung, die wir so haben. Also viele Menschen haben das und Vorhofflimmern kann gefährlich sein, wenn man nicht darauf reagiert. Und das ist der springende Punkt. Beim Vorhofflimmern muss man gucken, warum habe ich das?

Also Vorhofflimmern allein ist relativ selten, man hat das Vorhofflimmern, weil das Herz irgendeine Erkrankung hat. Und zweitens, Vorhofflimmern kann mitunter gefährlich sein, wenn man gewisse Risikofaktoren hat oder relativ alt ist, also für das Vorhofflimmern. Die Risikofaktoren können dazu führen, dass wenn man Vorhofflimmern hat, kleine Blutgerinnsel entstehen in den Herzvorkammern und das kann dann zu einem Schlaganfall führen.

Man muss beim Vorhofflimmern auf zwei Sachen achten: Einerseits, dass das Herz in einer normalen Herzfrequenz schlägt. Wenn also ein Patient mit einem Vorhofflimmern zu uns kommt, schauen wir uns erstmal an, wie ist denn das Frequenzspektrum? Also ist die Frequenz normal oder ist sie zu hoch oder zu niedrig?

Wenn die Herzfrequenz lange zu hoch ist, leidet darunter das Herz. Sie müssen sich das vorstellen, als würde man im zweiten Gang über die Autobahn fahren und die ganze Zeit den Motor unter Volllast laufen lassen. Dann geht der Motor irgendwann kaputt. So ist es auch beim Herzen. Wenn es zu lange zu schnell schlägt, geht es kaputt. Das ist die eine Sache.

Und die zweite Sache ist: Wir müssen nach den Risikofaktoren gucken, die mitunter zu den Schlaganfällen führen können. Und wenn diese Risikofaktoren vorliegen, das sind Bluthochdruck, Zuckerkrankheit, schon mal einen Schlaganfall gehabt oder Gefäßverkalkung oder auch Alter, wenn diese vorliegen, muss man bei Vorhandensein eines Vorhofflimmerns noch eine Blutverdünnungstablette nehmen, um gerade die Schlaganfall-Häufigkeit zu reduzieren.

Was sind die Ursachen für Herzrhythmusstörungen?

Mario D. Richardt: Was sind denn weitere Ursachen für Herzrhythmusstörungen? Ist das einfach mal so zwischendurch, wenn ich Sport gemacht habe, dass das Herz dann kurz mal aussetzt? Das kann man im Prinzip ignorieren, oder?

Martin Neef: Es gibt eine ganze Reihe von Herzrhythmusstörungen, die man im Einzelfall mal kurz merkt, dann wieder weg sind, die sind in der Regel nicht behandlungsbedürftig und haben häufig auch gar keine echte krankhafte Ursache, sondern sind einfach nur mal da. Jeder Mensch, wie eingangs schon erwähnt, hat mal Rhythmusstörungen.

Und Belastung oder Stress oder besondere Aufregung kann auch mal zu einer kurzfristigen Herzrhythmusstörung führen, die nicht weiter behandelt oder beachtet werden muss. Anhaltende Herzrhythmusstörungen oder sehr häufig wiederkehrende Herzrhythmusstörungen, die dann auch noch Beschwerden verursachen, die sollte man kontrollieren.

Und die Ursachen dafür sind in der Regel Herzerkrankungen. Also eine anhaltende oder mit Beschwerden assoziierte Herzrhythmusstörung ist häufig die Folge einer vorliegenden Herzerkrankung.

Mario D. Richardt: Wie viele Extrasystolen pro Minute sind denn noch normal?

Martin Neef: Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil die meisten Menschen mit Extrasystolen merken diese gar nicht. Manche Menschen empfinden allerdings auch schon drei oder vier Extrasystolen pro Minute als sehr störend. Da kann man gar nicht sagen, das wäre jetzt normal oder nicht normal. Wir würden uns in Abhängigkeit der Symptomatik mit dem Patienten für eine Therapie entscheiden oder auch nicht.

Man kann vielleicht sagen, dass das Herz am Tag ungefähr 100.000 Mal schlägt. Wenn man das hochrechnet, das sind ungefähr 100.000 Schläge am Tag. Und Extrasystolen, die unter 1 Prozent aller Schläge auftreten, also weniger als 1000 Extrasystolen, die kann man auch fast gar nicht richtig behandeln, das ist viel zu selten.

Da würde man auch kein Medikament oder eine Ablation empfehlen. Wohingegen Extrasystolen, die mehr als 10 % Häufigkeit aufweisen, also mehr als 10.000 Schläge am Tag sind, da hat man auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass man sie erfolgreich therapieren kann, weil sie häufig genug da sind.

Aber auch 10.000 Extrasystolen am Tag sind zunächst erstmal nicht gefährlich.

Mario D. Richardt: Aber es klingt erstmal gigantisch viel.

Martin Neef: Ja, das klingt schlimm. Ist es aber nicht. Und es bedarf nur dann einer Therapie, wenn man darunter leidet. Was anderes ist es, wenn es dann schon mehr als 20.000 oder 30.000 Extrasystolen sind, weil dann kommen wir wieder zu dem eingangs besprochenen zu schnellen Herzschlag.

Wenn es also zu häufig am Tag zu schnell ist durch diese Extrasystolen, dann kann es bei anhaltender Extrasystolie auch dazu kommen, dass das Herz schwach wird.

Da würden wir dann auch, selbst wenn die Beschwerden fehlen, sondern man nur die Extrasystolen hat, aber schon eine Herzschwäche sehen kann, würden wir auch dann die Extrasystolen behandeln.

Wie stellt ein Arzt Extrasystolen fest?

Mario D. Richardt: Aber letztendlich kann nur der Arzt dann feststellen wie viele es sind. Das passiert dann über ein EKG oder wahrscheinlich über ein Langzeit-EKG?

Martin Neef: Genau! So ist das. Wenn die Patienten zu uns kommen und nur einzelne extra Schläge haben und meinen, das stört sie sehr, führen wir einen 24-Stunden, mitunter auch ein 72-Stunden-Langzeit-EKG durch.

Und dann zählen wir oder ehrlicherweise lassen wir die Software das zählen, zählen wir den Anteil der Extrasystolen und können auch dem Patienten zurückmelden, so viel sind es, das können wir dagegen tun oder auch nicht. Wichtig hierbei ist, wenn man so ein Langzeit-EKG macht, die Patienten das Beschwerdeprotokoll führen und aufschreiben, wann was gewesen ist, damit wir das korrelieren können.

Mitunter ist es auch so, dass vermeintliche Symptome gar nicht auf diese Extrasystolie zurückzuführen sind, sondern es sich um einen Zufallsbefund in einem mal geschriebenen EKG handelt und dort eine Extrasystole aufgefangen wurde und diese aber nicht schuld ist an der Symptomatik.

Mario D. Richardt: Sie sehen dann wahrscheinlich irgendwelche Ausschläge und dann stellt man aber fest, ach, da ist er gerade die Treppe hochgestiegen oder da war er grad beim Sex.

Martin Neef: Genau! Das wären mitunter auch Ursachen für Rhythmusstörungen, die nicht immer schlimm sein müssen, also assoziiert zu Belastung.

Aber es ist auch so, dass wir häufig aufgeschrieben bekommen, jetzt stört oder jetzt habe ich Symptome wie Herzklopfen oder Pochen oder ein Unwohlsein und dann ist zu der Zeit nicht eine Extrasystole im Langzeit-EKG, sodass man dann sagen kann, offensichtlich sind nicht die Extrasystolen Ursache der festgestellten Symptomatik oder der Beschwerden.

Mario D. Richardt: Woher wissen Sie denn, woher diese Herzrhythmusstörungen kommen? Mir fällt spontan ein, es gibt ein Kammerflimmern oder Kammerflattern, dann hatten wir das Vorhofflimmern. Wie können Sie das differenzieren?

Martin Neef: Das ist ziemlich einfach. Man schreibt ein EKG, mitunter auch ein Langzeit-EKG, und kann daran sehen, ob die Rhythmusstörungen aus der Herzvorkammer oder erst in den Herzhauptkammern kommen.

Die sind alle unterschiedlich konfiguriert und sehen unterschiedlich aus. Und es gibt tatsächlich Zeichen, die einem sicher ermöglichen, das zu differenzieren, und dafür ist auch nur das EKG geeignet.

Was ist die gefährliche Art der Herzrhythmusstörung?

Mario D. Richardt: Was ist die gefährliche Art der Herzrhythmusstörung?

Martin Neef: Die Rhythmusstörungen, die aus den Herzhauptkammern entstehen, das sind diejenigen, vor denen wir sehr viel Respekt haben müssen, weil die tatsächlich lebensbedrohlich sein können.

Also es gibt Formen von Rhythmusstörungen aus den Kammern, die lebensbedrohlich sind, die dann mit entsprechend behandelt werden müssen.

Ist die Angst vor einem Herzinfarkt bei regelmäßigen Herzrhythmusstörungen berechtigt?

Mario D. Richardt: Muss man denn Angst haben vor einem Herzinfarkt, wenn man regelmäßig Herzrhythmusstörungen hat?

Martin Neef: Eigentlich nicht! Die Herzrhythmusstörung selbst führt nicht zu einem Herzinfarkt. Aber wenn man Rhythmusstörungen aus der Kammer hat, ist häufig der Herzinfarkt die Ursache dieser Rhythmusstörung. Also es ist eigentlich andersrum, man muss nach einem Herzinfarkt Angst haben vor solchen Rhythmusstörungen, die per se bedrohlich sein können.

Nun ist es nicht bei allen Herzinfarkten so, und wir kennen auch bei den Herzinfarkten die Risikofaktoren, die zu dieser Rhythmusstörung führen können, nämlich zum Beispiel eine sehr eingeschränkte Leistung des Herzens.

Wenn man nach einem Herzinfarkt eine sehr eingeschränkte Herzleistung hat, wissen wir, dass Rhythmusstörungen aus den Herzhauptkammern entstehen können und man deswegen ein Gerät zum Schutz vor dem plötzlichen Herztod implantieren kann, das ist ein sogenannter implantierbarer Kardioverter-Defibrillator, kurz Defi.

Welche Arten von Defibrillatoren gibt es und wie funktionieren sie?

Mario D. Richardt: Dieses Gerät sorgt dann dafür, wenn es denn brisant werden sollte im Herzen, dass der Körper wieder auf Touren kommt?

Martin Neef: Ja. Dieses Gerät überwacht den Herzschlag, das guckt den ganzen Tag nur zu. Würde dann aber aktiv werden, wenn es erkennt, oh, hier ist eine Rhythmusstörung, die ist geeignet dazu den plötzlichen Herztod auszulösen.

Dann wartet das kurz, das Gerät, überprüft das noch mal und wenn es tatsächlich so ist, ein sehr schneller Herzschlag, bei dem man in der Regel bewusstlos wird, dann schlägt das Gerät einmal zu und stellt den normalen Takt wieder her.

Mario D. Richardt: Das passiert dann über so eine Art Stromschlag? Wie muss man sich das vorstellen?

Martin Neef: Genau! Das ist so, wie man es auch aus dem Fernsehen kennt. Da wird der Strom von außen appliziert und in der Regel ist es so, dass die Patienten dabei hochhüpfen.

In echt ist das nicht so. Und auch bei dem Gerät, wenn das Strom abgibt, macht es kurz „Rums!“, aber es ist nicht so, dass jemand hüpft dabei in der Gegend. Aber es ist quasi die gleiche Energieform, die abgegeben wird, ein kurzer Schock dem Herzen.

Mario D. Richardt: Und dann ist das Herz automatisch wieder im Rhythmus?

Martin Neef: Dann ist es wieder im Rhythmus. Und in dem Moment, wo es vielleicht anfangs noch ein bisschen durcheinander wäre, das Herz, ist nicht so schlimm, der Defibrillator kann auch stimulieren und der stimuliert dann die ersten Minuten das Herz einfach in den richtigen Rhythmus.

Mario D. Richardt: So einen Defibrillator sieht man oftmals auch am Flughafen, in Einkaufszentren oder Parkhäusern. Da ist so ein Hinweisschild. Darf das denn eigentlich jeder benutzen oder ist das nur für medizinisches Personal?

Martin Neef: Nein, unbedingt, das ist für jeden gedacht. Das sind sogenannte Laien-Defibrillatoren, die einem auch Hilfestellung geben, was man da machen muss. Man kann gar nichts falsch machen. Das Einzige, was man falsch machen kann, ist, ihn nicht zu benutzen.

Wenn also tatsächlich jemand auf dem Boden liegt und keine Luft mehr holt, ist das Erste neben der Wiederbelebungsmaßnahme den Defibrillator anschließen. Und sobald man ihn aufklappt, einen solchen Defibrillator, fängt dieser unaufgefordert an, mit uns zu reden. Der spricht laut und langsam, so dass man auch keine Angst haben muss, dass man was verpasst.

Und wenn man nichts tut, redet er noch mal, dann wiederholt er das. Und der Defibrillator sagt einem, was man wohin kleben muss und auf welchen Knopf, es gibt eigentlich nur einen Knopf, den man drücken kann und braucht, wann man da drauf zu drücken hat. Und der Defibrillator sorgt selbst dafür, dass er die Rhythmusstörungen erkennt, diagnostiziert, einordnet und dann gegebenenfalls den Schock abgibt, wenn es notwendig ist.

Man braucht wirklich bei der Bedienung eines solchen Gerätes keine Angst haben, man kann da nichts falsch machen.

Mario D. Richardt: Das ist interessant. Wusste ich nicht, dass das Gerät mit jemandem redet.

Martin Neef: Genau! Die sprechen in der Zwischenzeit. Es sind nicht nur Bildchen drauf, sondern sie reden laut und deutlich, so dass man auch zuhört.

Mario D. Richardt: Um noch mal auf das Mini-Defi-Gerät zurückzukommen: Ist das gleichzusetzen mit einem Herzschrittmacher?

Martin Neef: Fast! Die Form ist wie ein Herzschrittmacher, es ist nur noch ein bisschen größer. Also es ist ein bisschen dicker dieses Gerät, weil da die Batterie stärker sein muss, um auch Schocks abzugeben.

Ansonsten hat jeder Defibrillator auch eine Herzschrittmacher-Funktion, also jeder Defi kann ganz normal wie ein Herzschrittmacher stimulieren. Hat zusätzlich noch die Option, gegen zu schnelle Herzrhythmusstörung auch einen hochenergetischen Schock abzugeben, um diese Rhythmusstörungen zu beenden. Das können normale Herzschrittmacher nicht.

Mario D. Richardt: Wie viele Menschen mit Herzrhythmusstörungen brauchen denn so ein Gerät?

Martin Neef: Das sind die wenigsten. Das sind tatsächlich nur wenige Prozent aller Menschen, die überhaupt so Rhythmusstörungen haben.

Und das beschränkt sich in der Regel auf diejenigen, die eingeschränkte Funktionen des Herzens haben, oder mitunter gibt es auch junge Menschen, die eine angeborene Rhythmusstörung haben oder angeborene Erbkrankheiten, die mitunter zu Fehlbildungen von Kanälen in den Herzen führen und deswegen zu lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen führen können.

Diejenigen brauchen so ein Gerät als, ich will sagen, Lebensversicherung. Dies guckt dann halt und würde im richtigen Moment zuschlagen.

Wie lassen sich Herzrhythmusstörungen behandeln?

Mario D. Richardt: Wie können Sie denn Rhythmusstörungen sonst behandeln? Ich denke, das ist alles mit Medikamenten händelbar oder braucht man noch mehr?

Martin Neef: Es ist in der Tat so, früher hat man sehr viel mit Medikamenten gemacht, man kann das auch, man kann jede Art von Rhythmusstörung zunächst erst mal mit einem Medikament an behandeln, aber wir haben inzwischen gelernt, dass das zuwarten oder das Behandeln von Medikamenten über einen langen Zeitraum häufig dazu führt, dass man die Rhythmusstörung, wenn man sie dann doch ablatieren möchte, als elektrophysiologisch behandeln möchte, dann schlechtere Chancen hat.

Gerade beim Vorhofflimmern ist es so: Wenn man noch relativ jung ist und das Vorhofflimmern selten, aber heftig merkt, also selten hat und dann aber heftig merkt, wissen wir inzwischen, dass die primäre Therapie mittels Ablation, also elektrophysiologische Untersuchungen und dann Veröden der Herde, wo das herkommt, dass die Patienten mehr davon profitieren, als wenn man jahrelang oder jahrzehntelang mit Medikamenten rumexperimentiert.

Haben Herzrhythmusstörungen einen Einfluss auf die Lebenserwartung?

Mario D. Richardt: Über die Ablation sprechen wir auch nochmal in einer gesonderten Folge. Haben denn Herzrhythmusstörungen einen Einfluss auf die Lebenserwartung?

Martin Neef: Ja und Nein. Das kommt ganz drauf an, was man als Herzrhythmusstörung sieht. Extrasystolen als solche sind per se Rhythmusstörungen, die haben keinen Einfluss auf die Lebenserwartung. Nun gibt es Rhythmusstörung, die gefährlich sind und den plötzlichen Herztod machen können, die haben naturgemäß einen Einfluss auf die Lebenserwartung.

Die Wahrheit ist irgendwo in der Mitte drin. Auch das Vorhofflimmern, wenn man das diagnostiziert, hat das statistisch gesehen und behandelt einen Einfluss auf die Lebenserwartung, aber das ist nicht immer das Vorhofflimmern selbst, sondern die zugrundeliegende Herzerkrankung. Wir hatten eingangs festgestellt, dass viele Rhythmusstörungen Folge einer Herzerkrankung sind.

Und die Rhythmusstörungen sind in dem Fall dann nur das Symptom der Herzerkrankung und die Herzerkrankungen als solche kann die Lebenserwartung einschränken. Deswegen gilt es nicht nur, immer nur auf die Rhythmusstörungen zu gucken und eine Tablette zu verordnen, die vielleicht die Rhythmusstörungen verbessern oder reduzieren kann, sondern auch immer nach der Ursache zu schauen, um diese zu behandeln. Weil das ist tatsächlich was, das Leben dann wieder verlängert statistisch gesehen und die Lebenserwartung normalisieren kann.

Mario D. Richardt: Ich danke Ihnen, Dr. Martin Neef! Vielen Dank eben fürs Zuhören. Die nächste Folge „kernig & gesund“ gibt es am nächsten Mittwoch, und da geht es dann mit Dr. Alice Martin um Insektenstiche.

Alle Folgen hören Sie auf kernig-und-gesund.de und überall dort, wo es gute Podcasts gibt, zum Beispiel auch auf den smarten Lautsprechern von Amazon oder Google. Bis zum nächsten Mal! Tschüss!