Wundversorgung – Wie man im Fall der Fälle richtig reagiert

Im Alltag ist es schnell Mal passiert, dass man sich irgendwo schneidet, sich verbrennt oder etwas aufkratzt. Wie man mit kleinen Wunden auf der Haut am besten umgeht und verhält, wenn zu Verbrennungen und Verbrühungen kommt, wird in dieser Folge „kernig-und-gesund“ besprochen.

Martin, Alice, Derma

Dr. Alice Martin

Dermatologin in Weiterbildung & Unternehmerin

Nach ihrem Studium der Humanmedizin von 2011 bis 2017 befindet sich Dr. Alice Martin in Weiterbildung zur Dermatologin. Sie gründete bereits zwei Unternehmen und lehrt an der FOM im Fach „Medizinische Theorie und Terminologie“.

Transkript der Folge Wundversorgung – Wie man im Fall der Fälle richtig reagiert

Bei „kernig & gesund“ geht es heute um Wundversorgung. Beim Gemüseschnippeln hat man sich schnell mal geschnitten, das Kind hat sich das Knie aufgeschürft, der Mückenstich ist rasch aufgekratzt. Doch wie geht man mit solchen kleinen Wunden am besten um? Auswaschen, desinfizieren, Pflaster drauf, besteht immer die Gefahr einer Blutvergiftung? Und wie verhält man sich bei Verbrennungen? Darüber klären wir heute auf.

Mario D. Richardt: Einen wunderschönen Tag zu einer brandneuen Ausgabe „kernig & gesund“! Mein Name ist Mario D. Richardt und in jeder Folge geht es um ein Gesundheitsthema.

Und weil es heute bei der Wundversorgung um Beschädigungen der Haut geht, habe ich wieder Dr. Alice Martin eingeladen. Sie ist Hautärztin in Weiterbildung und Mitgründerin der Hautarzt-App dermanostic. Dr. Alice Martin, schön guten Tag!

Alice Martin: Hi!

Wie verhält man sich bei einer Schürfwunde?

Mario D. Richardt: Alice, im Haushalt, bei der Arbeit oder wenn man Kinder hat, passieren ganz schnell mal ganz kleine Unfälle. Und ich würde gern mit dir ein paar Beispiele durchgehen. Fangen wir mal mit dem Nachwuchs an.

Das Kind rennt, fährt mit dem Roller oder dem Fahrrad und stürzt dann. Und meist gibt es dann eine ordentliche Schürfwunde am Knie. Wie verhält man sich da am besten?

Alice Martin: Die Situation kennt jeder, auch an sich selber, und das Erste ist, man weiß, man sollte es desinfizieren. Und da gibt’s schon den ersten Trick. Ich denke, viele werden hoffentlich das anwenden, wenn man desinfiziert, ein Produkt verwenden, das auch für die Schleimhäute geeignet ist, denn dann brennt es nicht.

Und das ist ganz toll, weil viele Kinder sind traumatisiert, wenn einfach Alkohol pur draufkommt, das brennt, tut weh. Und Schleimhaut-Desinfektionsmittel einmal drauf und wenn es nur oberflächlich ist, kann man danach abwarten und es verkrustet und heilt dann wieder von alleine ab.

Mario D. Richardt: Da muss ich mir jetzt direkt mal auf die Schulter klopfen. Genau das habe ich nämlich gemacht. Meine Tochter ist vor kurzem gestürzt, hatte genau eben diese Schürfwunde.

Und sie hatte auch wahnsinnige Angst, dass es brennt. Und ich hatte da dieses Schleimhaut-Antiseptikum. Das habe ich benutzt.

Alice Martin: Super!

Mario D. Richardt: Und habe gehofft, das ist perfekt.

Alice Martin: Das ist genau richtig. Und deine Tochter hat es dir gedankt. Du hast ihr Vertrauen weiterhin, wenn sie stürzt, dass man desinfizieren kann.

Mario D. Richardt: Jetzt war da auch ein bisschen Dreck mit drauf, das habe ich versucht mit einem Taschentuch so ein bisschen zu entfernen. Ist das richtig oder soll man das einfach mit einwachsen lassen?

Alice Martin: Ja. Das ist was ganz Wichtiges. Und zwar gibt es sogenannte Schmutz-Tätowierungen. Das bedeutet, man schiebt sich den Schmutz in die Haut rein und wenn man das nicht reinigt, dann bleibt das für immer da drin.

Du hast genau richtig gehandelt, du hast den Schmutz entfernt. Man soll tatsächlich, wenn jetzt ganz viel Schmutz in der Haut drin ist, das gut ausspülen, auswaschen auch mit einem Lappen – das ist natürlich jetzt unangenehm für die Kinder -, selbst wenn das wehtut, denn ansonsten verschließt es sich und es bleibt in der Haut drin und dann kriegt man es nicht mehr raus.

Mario D. Richardt: Das wächst nicht mehr aus?

Alice Martin: Mhm (verneinend). In der Regel nicht. Wenn das richtige Schmutz-Tätowierungen sind, dann bleiben die.

Wie entstehen Narben?

Mario D. Richardt: Und dann kommt meistens Phase 2, man muss das Kind überzeugen, den Schorf nicht abzukratzen. Denn dann kann es eine fiese Narbe geben. Warum entstehen dann Narben?

Alice Martin: Narben entstehen immer dann, wenn die Stammzellschicht durchbrochen worden ist und die Verletzung etwas großflächiger ist. Man kann sich die Hautschicht so verstellen, in der Oberhaut, da blutet es nicht, aber wenn die Oberhaut durchbrochen wird und wir sind eine Etage tiefer, da sind die Blutgefäße.

Und deswegen gibt es oberflächliche Schürfwunden, die nicht bluten, die kennt man auch, da kommt nur so eine weiß-durchsichtige Flüssigkeit, Exsudat, hindurch. Die verheilen auch narbenfrei. Eine Etage tiefer Basal-Zellschicht beziehungsweise Stammzell-Schicht ist durchbrochen, ab dann besteht die Gefahr von Narben.

Und das, was entsteht, es fängt an zu granulieren. Also Granulationsgewebe ist sozusagen verheilendes Gewebe. Das ist noch sehr anfällig an der Oberfläche, es verkrustet. Und wenn ich jetzt immer wieder abreiße, dann triggere ich und es kann nicht richtig verheilen. Und die Wahrscheinlichkeit für eine dauerhaft bleibende Narbe ist einfach dann da.

Mario D. Richardt: Also definitiv Schorf nicht abkratzen. Was kann ich meiner Tochter erzählen, dass sie, wenn es juckt, nicht dran popelt?

Alice Martin: Sie kann, als Trick, drumherum klopfen. Weil man hat Juckreiz, man möchte diesen Juckreiz irgendwie lindern. Oder man lenkt das Kind komplett ab, wenn man merkt, das fängt an sich zu kratzen.

Ganz beliebt ist auch nachts Baumwollhandschuhe zu tragen, damit man nicht unbewusst mit den Nägeln das abknibbelt, gerade bei kleinen Kindern. Und ansonsten, was auch noch helfen kann, ist kühles Wasser. Also alles, was reizt, aber anders reizt.

Also Umlenkung der Aufmerksamkeit, dass der Juckreiz verschwindet als Eindruck und andere Einflüsse entstehen.

Mario D. Richardt: Kühles Wasser auf den Schorf drauf?

Alice Martin: Einfach drumherum. Also ich würde es nicht direkt, weil das weicht das auf. Drumherum und dann ist einfach ein neuer Reiz da und der Juckreiz verschwindet.

Mario D. Richardt: Okay! Also logisch. Es weicht dann auch auf, dieser Schorf. Wie ist das in der Badewanne? Kann sie denn mit dem Knie auch in die Badewanne? Weil genau das ist das Problem, dass es dann aufweicht und dann fällt es auch fast von alleine ab.

Alice Martin: Das würde ich in der Zeit dann eher nicht machen. Ganz normal duschen oder aber dann den Kniebereich, es kommt jetzt auf das Alter des Kindes an, wenn die reflektiert sind, raushalten, oder nur ganz kurz für so ein, zwei Minuten reinhalten.

Mario D. Richardt: Das ist schwierig bei meiner Tochter. Sie sitzt gern und lange in der Badewanne. Aber ich nehme mir das auf jeden Fall mit. Danke für diesen Tipp! Dann kommen wir zum nächsten Beispiel, kommt auch sehr häufig vor.

Der typische Schnitt in den Finger, wenn man so schnell schnippeln wollte wie Tim Mälzer in der Küche. Das Blut tropft, die Fingerkuppe ist noch dran. Was mache ich?

Alice Martin: Jetzt kommt‘s auf die Schnitttiefe an. Ein oberflächlicher Schnitt ist erst mal nichts Schlimmes, ein tiefer Schnitt, je nachdem, wie tief muss genäht werden. Und innerhalb von sechs Stunden sollte das stattfinden, danach wird es schwierig. Das bedeutet auch, erstmal gucken, dass man die Wunde desinfiziert, dass man den Blutstrom ein bisschen abdrückt, die Wunde auch zusammendrückt, weil die Haut klafft auseinander.

Und dann einschätzt, ist das etwas für den Arzt zum Nähen oder ist das etwas, das noch nicht so tief geht, dann kann ich das zu Hause selbst versorgen. Und man kann sich orientieren, nehmen wir jetzt mal die Fingerbeere. Wenn man da nur so ein paar Millimeter in die Tiefe geht, dann ist es in Ordnung, aber sobald wir bei so einem halben Zentimeter bis Zentimeter sind, das ist schon etwas für den Arzt, der dann chirurgisch aktiv wird.

Mario D. Richardt: Gut! Und wenn ich merke, es ist doch wirklich nur oberflächlich, es ist so ein Riss in der Haut, es tropft halt ein bisschen Blut, dann zusammendrücken, hast du gesagt, …

Alice Martin: Genau! Abdrücken, die Hand nach oben halten. Wenn ich di nach unten halte, dann fließt noch mehr Blut nach unten. Und man kann auch noch als anderen Trick um das Handgelenk herum so was Kühles legen, damit sich die Blutgefäße zusammenziehen und einfach es weniger oben blutet.

Mario D. Richardt: Desinfizieren?

Alice Martin: Genau! Desinfizieren immer als allererstes. Da auch wieder Schleimhaut-Desinfektion verwenden.

Mario D. Richardt: Und dann ist es so, ein Pflaster drauf oder ….

Alice Martin: Genau! Es geht hauptsächlich darum, dass man die Stelle zusammenhält, damit die Haut wieder aneinanderklebt. Und vielleicht noch ein wichtiger Hinweis: Wenn man sich zu Hause schneidet, ist es in der Regel keine Tetanus-Infektionsgefahr.

Wenn man sich irgendwo draußen schneidet und man ist sich unsicher, wann die letzte Impfung gewesen ist, Stichwort Tetanus, sollte man doch den Gang nochmal zum Arzt wählen, seinen Impfausweis mitnehmen und vielleicht eine Auffrischung machen.

Mario D. Richardt: Die gibt’s alle zehn Jahre?

Alice Martin: Richtig! Die gibt’s alle zehn Jahre. Normalerweise haben wir die Tetanus-Impfung auch in der Kindheit bekommen. Aber ansonsten, wenn keine Auffrischung stattgefunden hat und man ist unsicher, kann das im Verlauf, wenn der Erreger da ist, zu Krämpfen kommen.

Früher 30-prozentige Letalität, kommt heute so gut wie gar nicht mehr vor, weil wir so vorsichtig geworden sind. Und das ist gut so.

Mario D. Richardt: Letalität heißt, man ist dran gestorben?

Alice Martin: Genau! Medizinisch gut verpackt.

Mario D. Richardt: Wenn ich jetzt in den Impfpass gucke, da steht, das war vor acht oder neun Jahren, ist das schon so eine kritische Grenze, sollte ich dann trotzdem auffrischen?

Alice Martin: Das kommt ein bisschen auf das Ermessen des Arztes an. Manche sagen, bis zehn Jahre ist alles in Ordnung. Ich würde vorschlagen, so bei neun Jahren sollte man doch noch mal mit dem Arzt Rücksprache halten.

Der guckt sich nämlich die Wunde an und kann auch noch mal einschätzen, das, womit man sich geschnitten hat, ob das wirklich eine Gefahr ist oder nicht.

Mario D. Richardt: Gibt es denn generell Wunden, bei denen man den Arzt aufsuchen sollte? Also ich vermute, alles, was so, hast du ja gesagt, tiefer als ein halber Zentimeter ist.

Alice Martin: Genau! Alles, was tiefer, oder es kann auch länger sein, also eine Wunde, die jetzt vielleicht sich über mehrere Zentimeter auch erstreckt und wo man das Gefühl hat, Mensch, ich habe kein gutes Gefühl. Bei Kindern auch grundsätzlich, alles was im Bereich der Schleimhäute ist, würde ich auch gegebenenfalls nochmal abklären.

Natürlich jetzt nicht für jeden kleinen oberflächlichen Kratzer. Und im Verlauf, wenn man merkt, es heilt nicht richtig, wenn man merkt, es wird plötzlich rot und heiß drumherum, dann kann das sich infiziert haben.

Oder auch im Verlauf, es gibt Menschen, die haben Überwucherungen, also dass die Narbenheilung oder die Wundheilung nicht richtig stattfindet, da sollte man dann auch noch mal zum Arzt gehen.

Mario D. Richardt: Das nennt sich dann Wundheilungsstörung.

Alice Martin: Genau! Wundheilungsstörung. Kennt man auch sicherlich aus dem Krankenhaus. Da geht’s noch mal zum Spezialisten.

Wie verhalte ich mich bei einem Schnitt durch eine Scherbe?

Mario D. Richardt: Jetzt kommt es bisweilen vor, dass man barfuß am Strand entlangläuft oder auf der Wiese und sich zum Beispiel an einer Scherbe in den Fuß schneidet.

Ist doof, vor allem von den Menschen, die die Scherbe da haben liegenlassen oder eine Flasche zertrümmert haben. Wie verhalte ich mich da korrekt, wenn ich mich geschnitten habe?

Alice Martin: Das ist wieder sowas Kritisches. Weil meistens sind die Schnitte tiefer. Also wir werden jetzt nicht mehr von ein paar Millimetern sprechen, sondern das geht in die Tiefe. Und Fußbereich ist auch schwierig, weil ich kann das nicht so gut unter Beobachtung halten und ich bin deutlich eingeschränkter, als wenn ich mich im Bereich der Hand schneide.

Also wenn ich mich dort verletzt habe, würde ich wirklich zum Arzt noch mal gehen. Gerade wenn Scherben im Spiel sind, einfach dass derjenige guckt, ist noch eine Scherbe innendrin geblieben. Und das wird vor Ort dann auch gut versorgt. Es kann auch genäht werden, liegt wieder im Ermessen des Arztes. Und dann kriegt man wahrscheinlich erst mal kleine Gehstützen, damit man die Stelle entlastet.

Mario D. Richardt: Ach, so heftig gleich?

Alice Martin: Es kommt auf den Schnitt an. Ich habe aber viele beobachtet, wenn die dann im Krankenhaus waren, war es dann nicht mehr so ganz oberflächlich und klein, sondern waren dann schon größere Schnitte und dann sollte man die Stelle natürlich entlasten. Und wie will man sich sonst fortbewegen?

Mario D. Richardt: Jetzt waren wir grad schon gedanklich am Strand oder am See, sage ich jetzt mal. Darf man denn mit einer Wunde auch ins Wasser gehen?

Alice Martin: Es kommt drauf an, wie frisch die Wunde ist. Wenn die Wunde die ersten paar Tage noch nicht überstanden hat, würde ich es nicht machen. Gerade wenn wir uns in Gewässern befinden, die auch Erreger haben, also gerade Seen oder Flüsse, da sind verschiedene Arten von Tieren drin.

Und wir sind jetzt nicht in einem klassischen Salzwasserbad, Solebad, Chlorbad, wo jeder guckt, dass die Menge an Erregern sehr niedriggehalten ist. Und natürlich kann die Wunde wieder aufweichen, es kann wieder bluten.

Also eigentlich ist es nicht zu empfehlen innerhalb von 7 Tagen bis 14 Tagen irgendwo nach draußen schwimmen zu gehen.

Mario D. Richardt: So lange?

Alice Martin: Mhm (bejahend).

Mario D. Richardt: Das ist natürlich doof, wenn man im Urlaub ist und 14 Tage Urlaub hat und am zweiten Tag schneidet man sich schon. Das heißt, dann ist der Urlaub erstmal gestorben?

Alice Martin: Wenn man sich in den Fuß ordentlich schneidet, dann ja. Was heißt, der Urlaub ist dann erstmal hinüber? Man kann trotzdem sich abkühlen oder sich ganz normal hinlegen.

Aber es macht einfach langfristig nicht so viel Sinn, weil Komplikationen entstehen können. Und dann ist die Frage: Ist mir das wert, dass ich jetzt am zweiten Tag ins Wasser gehe, aber mit dem Risiko, dass es sich infiziert, nicht richtig zuheilt?

Mario D. Richardt: Ich habe vor ein paar Jahren, was heißt vor ein paar Jahren, ich glaube, das war sogar letztes Jahr, das war ganz groß in den Medien, gelesen, an der Ostsee, wenn die zu warm wird, dann gibt’s da auch so spezielle Erreger, die dann gern durch offene Wunden eintreten. Und daran kann man sogar sterben.

Alice Martin: Es handelt sich da um die sogenannten Vibrionen. Das bedeutet, dass diese bakteriellen Erreger einfach durch Wunden in die Haut hineinkommen. Und es ist deutlich einfacher, dass sie die Hautbarriere penetrieren, wenn die Wunde vorhanden ist.

Bei warmen Temperaturen und einem bestimmten Salzgehalt vermehren sie sich etwas mehr. Und es gab eben diese Todesfälle, deswegen sollte man mit Wunden, das jetzt nur ein Beispiel, aber das kann prinzipiell bei vielen anderen Erregern auch der Fall sein, nur da ist es gehäuft aufgetreten, aber bei Wunden eben nicht ins Wasser gehen.

Was passiert bei der Wundheilung?

Mario D. Richardt: Lieber einmal zu vorsichtig sein. Was passiert denn eigentlich in der Haut bei der Wundheilung? Also ich finde es persönlich unfassbar, wie gut und schnell Wunden manchmal verheilen. Was wird denn da vom Organismus in Gang gesetzt?

Alice Martin: Was man erstmal sagen kann, manche Stellen heilen besser als andere. Und am besten heilen Schleimhäute, weil sie sehr gut durchblutet sind. Also wissen wir schon mal, die Durchblutung spielt eine zentrale Rolle, weil durch die Durchblutung kommen ganz viele Baubestandteile, die notwendig sind.

Was genau passiert ist: Stellen wir uns den Schnitt vor. Jetzt bildet sich Granulationsgewebe, also das heißt, von der einen und der anderen Seite fängt es an, dass ein Wachstum aktiviert wird, Zellen fangen an, sich zu bilden, zu vermehren und versuchen, diesen Defekt, der da ist, aufzufüllen. Und deswegen, je nachdem, wie viel Gewebe weg ist, fängt es an zu wuchern mit dem Ziel, dass sich die rechte und die linke Seite vereinen und schließen. Jetzt gibt’s zwei Möglichkeiten: Entweder, wenn wir jetzt so einen dreieckigen Schnitt oder rausgeschnitten haben, entweder es wächst von unten langsam nach oben zu, oder aber, wenn wirklich wir einen ganz, ganz dicken, langen Defekt haben, dann wächst in der Mitte etwas.

Und das ist, wenn oben so eine weiße Narbe zu sehen ist. Und das ist der Fall, warum dann die Narbe entsteht, weil die Zellen, die sich bilden, sind nicht die klassischen Oberhautzellen, sondern sind die Zellen aus der Tiefe. Und die sehen etwas anders aus, die sind auch nicht pigmentiert. Deswegen sind Narben auch eher hell und bleiben dann auch dauerhaft so.

Lässt sich Narbenbildung verhindern?

Mario D. Richardt: Kann man Narbenbildung verhindern?

Alice Martin: Man kann sie etwas verbessern, die Narbenbildung, indem man eigentlich die besten Voraussetzungen für die Wundheilung schafft. Sprich, desinfizieren, dass es sich nicht infiziert, Sonnenschutz, nicht feucht, nicht zu warm.

Und das Zweite ist, wenn die Narbe sich langsam bildet oder die Verheilung stattfindet, viel massieren, damit das Gewebe sich gut verteilt. Und danach vor Sonne schützen.

Mario D. Richardt: Ja, das Massieren auf jeden Fall erst danach, wenn kein Blut mehr kommt.

Alice Martin: Ja, ja, das, genau! Das heißt, wenn die Narbe sich gebildet hat.

Besteht bei Schürfwunden die Gefahr einer Blutvergiftung?

Mario D. Richardt: Besteht denn eigentlich immer die Gefahr einer Blutvergiftung oder wann besteht die Gefahr einer Blutvergiftung? Schon bei kleinen Schürfwunden?

Alice Martin: Blutvergiftung klingt sehr dramatisch, wenn man das erst mal hört. Blutvergiftung bedeutet, dass wir eine Infektion haben, die in das Blutsystem hineingelangt und sich im ganzen Körper verteilt. Und viele verwechseln die Blutvergiftung, wenn sie so einen Strang sehen, der langsam nach oben wandert.

Das ist gar keine Blutvergiftung, da hieß es sogar im Mittelalter, wenn dann das Herz erreicht wird, dann stirbt man. Aber das ist eine ganz andere Art und Weise, das ist einfach eine Infektion auch der Lymphgefäße, die nach oben wandert. Die Blutvergiftung, Sepsis genannt, klar, diese Gefahr hat man theoretisch immer, aber es entsteht wirklich nur, wenn das Immunsystem ganz geschwächt ist oder aber eine sehr ausgeprägte Infektion vorhanden ist.

Und das ist bei normalen Schürfwunden sehr, sehr unwahrscheinlich. Die Möglichkeit gibt es, wie bei allem in der Medizin, aber eigentlich muss man jetzt nicht paranoid oder panisch durch die Gegend laufen und jetzt Angst vor einer Blutvergiftung haben.

Mario D. Richardt: Jetzt hast du gesagt, im Mittelalter. Ich dachte das bis heute, dass es da diesen Strich gibt, der zum Herzen wandert.

Alice Martin: Da wir das in Büchern oder wurde es schon das erste Mal in Büchern beschrieben, und deswegen ist es auch jetzt noch, ich werde auch nie die Situation vergessen, als ein Patient in die Notaufnahme kam und wollte sofort zum Arzt, ich hatte damals Dienst, und meinte „Nein, ich habe eine Blutvergiftung. Ich muss sofort“.

Und die Krankenschwestern machen immer das Erstgespräch et cetera und wollten eigentlich die Person oder den Patienten so abfangen, um Personaldaten et cetera. Es war einfach ganz normal eine Infektion, keine Blutvergiftung, aber es war so im Kopf drin. Und das ist mir dann hängengeblieben. Es gibt anscheinend überall verbreitet noch dieses Gefühl oder diesen Mythos.

Mario D. Richardt: Ich habe gelesen, dass aufgekratzte Mückenstiche sich richtig böse entzünden können und im schlimmsten Fall auch zu einer Blutvergiftung führen können. Stimmt das so?

Alice Martin: Es besteht immer die Möglichkeit, dass es zu einer Blutvergiftung kommt. Aufgekratzte Mückenstiche kann man sich so vorstellen, warum ist das gefährlich? Weil ich immer weiter kratze. Und wie wir gesagt haben, die Nägel sind auch eine Quelle für Erreger.

Und wenn ich jetzt kratze, habe ich einen Krater, jetzt kratze ich meistens weiter, weil das hat sich damit nicht erledigt, der Juckreiz ist nach wie vor da. Und dadurch reize ich immer wieder diese Wunde, ich habe eine schöne Eintrittspforte und die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion ist einfach größer.

Und das ist ein bisschen die Ursache, warum sich Mückenstiche lieber infizieren als andere Wunden, die jucken in der Regel nicht, die tun eher weh, da lasse ich die Finger von weg. Aber Blutvergiftung, auch da gilt das Gleiche, sehr selten und sehr spät.

Mario D. Richardt: Wie kann ich denn meine Tochter davon abhalten, dass sie sich kratzt, wenn sie Mückenstiche hat?

Alice Martin: Was ganz gut hilft sind Antihistaminika, so Fenistil-Gel kennt man sicherlich, die unterdrücken diesen Botenstoff, der den Juckreiz verursacht, und kühlen. Das sind so die Themen, die helfen.

Mario D. Richardt: Dann jetzt mal zu einem härteren Fall. Man bückt sich, kommt wieder hoch, stößt sich so heftig den Kopf, dass das eine Platzwunde gibt. Sofort zum Arzt oder abwarten, Tee trinken, Pflaster drauf?

Alice Martin: Verletzungen im Kopfbereich, Platzwunden würde ich zum Arzt gehen. Einfach weil es schwierig ist als Laie das einzuschätzen. Und gerade Kopfbereich, es gibt Menschen, die sind sehr empfindlich und bei denen tut es ganz doll weh.

Es gibt aber Menschen, die sagen, ah, das ist alles nicht so schlimm und vielleicht haben die sogar eine Gehirnerschütterung. Und deswegen gerade Kopfbereich, würde ich den Gang zum Arzt, und selbst, wenn es nur der Hausarzt ist, damit er es einmal abschätzt, dokumentiert et cetera und man einfach weiß, was ist der Status quo.

Mario D. Richardt: Schnell kommt es im Haushalt auch mal zu einer Verbrühung oder Verbrennung, auch jetzt vor allen Dingen bei Kindern. Sofort unters kalte Wasser halten die Haut oder nicht?

Alice Martin: Bei Verbrühungen oder Verbrennungen sollte man unter lauwarmem Wasser die Haut halten, nicht zu heiß, nicht zu kalt. Und dann so 20 Minuten ungefähr.

Mario D. Richardt: Aber es kommt auf jeden Fall auch darauf an, wie stark die Verbrühung ist, ob es jetzt eine partiell kleine Fläche ist oder eben schon handtellergroß.

Alice Martin: Genau! Zum einen wird die Fläche berechnet, aber auch, ist das eine Verbrühung oder Verbrennung ersten, zweiten oder dritten Grades. Ersten Grades ist etwas Oberflächliches, man weiß, das verheilt relativ schnell. Zweiten Grades ist schon etwas tiefer, wo auch Blasen entstehen können.

Und dritten Grades sind tatsächlich diejenigen, wo man weiß, das Gewebe ist schon bei der Verbrennung abgestorben und wird auch nicht wiederkommen. Und dann ist die Fläche entscheidend, da gibt’s die sogenannte 9er-Regel, man unterteilt den Körper in Prozente. Und nehmen wir jetzt das Beispiel Oberarme beziehungsweise die Arme sind 9 % der Körperoberfläche, die Oberschenkel sind 9 % der Körperoberfläche.

Und wenn man 9 % hat, das ist schon kritisch. Also das heißt, ab einer bestimmten Fläche sollte man sowieso zum Arzt gehen, wenn man sehr viel Flüssigkeit und überhaupt Fläche hat für Infektionen, dass man gegebenenfalls sogar stationär bleibt.

Mario D. Richardt: Und wie ist das mit einer kleineren Verbrennung?

Alice Martin: Bei einer kleinen Verbrennung ist es nicht so. Also das heißt, kleine Verbrennung, Pizza zum Beispiel oder Fett spritzt auf die Haut, da einfach kühlen. Es bilden sich in der Regel kleine Brandblasen, das kennt man.

Und das ist auch sehr schmerzhaft, dauert von der Heilung her, bis die Blasen verschwinden, schon so einige Wochen.

Mario D. Richardt: Alice, es war mir wieder ein Vergnügen, vielen Dank!

Alice Martin: Danke dir!

Mario D. Richardt: Die nächste Folge gibt es schon bald mit dir. Ihnen vielen Dank fürs Zuhören! Alle Folgen finden Sie auf kernig-und-gesund.de und überall dort, wo es gute Podcasts gibt. Zum Beispiel auch, wenn Sie Smart Speaker nutzen, also zum Beispiel bei Amazons Alexa sagen sie dann „Alexa, spiel den Podcast kernig und gesund“ oder zum Beispiel „Alexa, spiel den Podcast kernig und gesund Folge 23“, oder 24 oder 59, je nachdem. Ich denke, das wird es noch lange geben, diesen Podcast.

Und das Gleiche können Sie auch machen, wenn Sie Google Home oder Google Nest nutzen, einfach sagen „Okay Google, spiel den Podcast kernig und gesund“. Dann also bis zum nächsten Mal! Tschüss!

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